Varta-Insolvenz verhindert - aber auf Kosten der Aktionäre
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Der Batteriekonzern Varta stand am Abgrund. Ein StaRUG-Sanierungsverfahren rettete das Unternehmen vor der Pleite - doch die Aktionäre zahlten den Preis. Sie wurden vollständig enteignet, ohne Entschädigung. Wie kam es dazu? Und was bedeutet das für den Anlegerschutz?Vartas Fall: Vom Börsenstar zur finanziellen Bruchlandung
Es ist eine Geschichte, die für viele Anleger wie ein Albtraum wirkt: Varta, einst gefeierter Batteriehersteller und Liebling der Börse, ist nun kein börsennotiertes Unternehmen mehr. Statt eines geordneten Insolvenzverfahrens wurde Varta durch das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) saniert - ein juristischer Trick, der tiefgreifende Folgen hatte.
Das Ergebnis: Rund 21.000 Kleinaktionäre verloren ihre gesamten Investitionen - ohne jegliche Entschädigung.
Während strategische Investoren wie Porsche und der österreichische Unternehmer Michael Tojner das Unternehmen übernehmen, müssen Privatanleger einen Totalverlust hinnehmen. Doch wie konnte es dazu kommen? Und ist diese Art der Enteignung ein gefährlicher Präzedenzfall für andere Unternehmen in finanzieller Schieflage?
Warum Varta in die Krise geriet
Noch 2020 war Varta eine der großen Erfolgsgeschichten des deutschen Aktienmarktes. Der Batteriehersteller aus Ellwangen profitierte massiv vom Boom kabelloser Kopfhörer, insbesondere durch die hohe Nachfrage nach Knopfzellen für Apple AirPods. Der Aktienkurs erreichte Rekordhöhen, das Unternehmen wurde in den MDAX aufgenommen, und Investoren sahen in Varta einen künftigen Marktführer für innovative Batterietechnologien.
Doch ab 2022 wendete sich das Blatt dramatisch:
- Verlust eines Großkunden: Apple stellte die Lieferungen von Varta-Batterien für AirPods auf andere Zulieferer um. Die Abhängigkeit von wenigen Großkunden wurde für Varta zum Verhängnis.
- Fehlinvestitionen: Das Management pumpte Millionen in die Entwicklung der ,,V4Drive"-Batterie für Elektrofahrzeuge, ohne langfristige Großaufträge zu sichern.
- Explodierende Schulden: Varta hatte sich finanziell übernommen. Innerhalb von zwei Jahren wuchsen die Verbindlichkeiten auf fast 500 Millionen Euro.
- Energie- und Rohstoffkrise: Hohe Strompreise und steigende Materialkosten verschlechterten die Margen zusätzlich.
Ende 2023 war klar: Ohne eine drastische Sanierung würde Varta die kommenden Monate nicht überleben. Doch statt in die Insolvenz zu gehen, entschied sich das Management für einen anderen Weg - mit drastischen Folgen für die Aktionäre.
StaRUG - Das umstrittene Sanierungsinstrument
Das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) ist ein vergleichsweise neues Instrument, das Unternehmen die Möglichkeit gibt, sich außerhalb einer klassischen Insolvenz zu restrukturieren. Es wurde 2021 eingeführt, um überschuldeten Unternehmen eine Alternative zum Insolvenzverfahren zu bieten.
Der entscheidende Punkt: Ein StaRUG-Verfahren kann tiefgreifende Eingriffe in Gläubiger- und Eigentumsrechte vornehmen - selbst ohne Zustimmung aller Betroffenen.
Konkret bedeutet das:
1. Das Unternehmen erstellt einen Restrukturierungsplan, der Schulden reduziert und frisches Kapital einwirbt.
2. Die beteiligten Stakeholder - darunter Aktionäre und Gläubiger - stimmen in Gruppen über den Plan ab.
3. Falls eine Gruppe (z. B. die Aktionäre) die Zustimmung verweigert, kann das Gericht ihre Zustimmung ersetzten, sofern die anderen Gruppen zustimmen.
Das StaRUG hat damit Vorrang vor dem normalen Aktienrecht - und genau hier liegt die Brisanz: Altaktionäre können gegen ihren Willen enteignet werden, ohne dass sie rechtlich etwas dagegen tun können.
Genau das ist bei Varta passiert.
Wie der Restrukturierungsplan die Aktionäre enteignete
Im Sommer 2024 legte Varta einen Sanierungsplan vor, der von den größten Gläubigern und Investoren unterstützt wurde. Er sah zwei zentrale Maßnahmen vor:
1. Schuldenschnitt: Die Verbindlichkeiten wurden von knapp 500 Millionen Euro auf rund 200 Millionen Euro reduziert.
2. Kapitalherabsetzung auf Null: Das gesamte Grundkapital der Varta AG wurde komplett gestrichen - mit der Folge, dass alle bestehenden Aktionäre enteignet wurden.
Anschließend wurde eine Kapitalerhöhung durchgeführt, an der sich ausschließlich zwei Investoren beteiligten:
- Porsche, das 30 Millionen Euro in Varta investierte.
- Michael Tojner, der ebenfalls 30 Millionen Euro einbrachte.
Ergebnis: Varta wurde von der Börse genommen und gehört nun nur noch diesen beiden Großinvestoren. Die früheren Kleinaktionäre gingen leer aus - ohne jegliche Entschädigung.
Proteste und Klagen: Warum die Aktionäre scheiterten
Die ,,kalte Enteignung" löste scharfe Proteste aus. Anleger-Verbände wie die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) kritisierten das Vorgehen als einen Angriff auf das Eigentumsrecht.
Zahlreiche Klagen wurden eingereicht, um den Restrukturierungsplan zu stoppen - doch ohne Erfolg.
- Das Landgericht Stuttgart bestätigte den Plan.
- Das Bundesverfassungsgericht nahm eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.
- Auch auf europäischer Ebene gibt es kaum rechtliche Möglichkeiten.
Die Gerichte argumentierten, dass die Aktionäre in einer regulären Insolvenz ebenfalls nichts bekommen hätten. Daher sei der entschädigungslose Ausschluss ,,rechtlich nicht zu beanstanden".
Doch Kritiker warnen: Das StaRUG könnte künftig häufiger genutzt werden, um Unternehmen zu sanieren - auf Kosten der Kleinaktionäre.
Was bedeutet der Varta-Fall für Anleger?
Die Ereignisse bei Varta werfen eine zentrale Frage auf: Sind Aktien von Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten künftig überhaupt noch ein sicheres Investment?
Denn wenn Restrukturierungsverfahren nach StaRUG häufiger angewandt werden, könnten Aktionäre in Krisenfällen immer wieder enteignet werden - ohne jegliche Mitbestimmung.
Was hältst du von diesem Fall? War das StaRUG-Verfahren eine notwendige Maßnahme oder ein gefährlicher Präzedenzfall? Schreib deine Meinung in die Kommentare!
ohne verhindert kosten unternehmen wurden
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