Kartellamt kündigt Verfahren an
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Wegen des Verdachts auf ungerechtfertigte Gaspreiserhöhungen will das Bundeskartellamt noch im Dezember gegen mehrere Energieversorger Missbrauchsverfahren einleiten. Rund 50.000 Verbraucher sollen mittlerweile die Zahlung der jüngsten Gaspreiserhöhung verweigern.
Die Behörde werde dabei Ungereimheiten bei der Preisgestaltung nachgehen, kündigte der Präsident des Bonner Bundeskartellamtes, Ulf Böge, am Dienstag im ZDF an. Details nannte er nicht. Das Amt hatte bereits seit längerem die Preisgestaltung einiger Konzerne überprüft, unter anderem von E.ON Hanse. Verbraucherverbände gehen davon aus, dass die Gaspreise in Deutschland um etwa 20 Prozent überhöht sind und machen dafür die Monopolstellung der Konzerne verantwortlich. Die Verbände betrachten überzogene Strom- und Gaspreise als eine Ursache des schwachen Wachstums in Deutschland.
Die Kopplung des Gaspreises an die Ölpreisentwicklung sei eine billige Ausrede der Konzerne für ihre Geschäftemacherei, kritisierte der Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher, Aribert Peters. Dass die Abgabepreise zwischen den einzelnen Unternehmen um bis zu 30 Prozent variierten, beweise, dass es Spielraum für Preissenkungen gebe. Mangels Wettbewerbs vor Ort könnten die meisten Kunden allerdings nicht zu einem billigeren Anbieter wechseln. Zudem müsse die Industrie nur etwa halb so viel für ihr Gas bezahlen wie private Verbraucher. Dies lasse sich nicht allein mit Rabatten für Großabnehmer erklären.
Rund 50.000 Verbraucher verweigern die Zahlung
Mehrere Energiekonzerne hatten für Anfang 2005 eine neue Preisrunde angekündigt und dies mit dem stark gestiegenen Ölpreis begründet, an den der Gaspreis gekoppelt ist. Diese automatische Verknüpfung ist allerdings bei Energieexperten und Verbraucherschützern höchst umstritten.
Nach den Worten von Peters verweigern mittlerweile rund 50.000 Verbraucher wegen "Unbilligkeit" die Zahlung der jüngsten Gaspreiserhöhung. Konsequenzen müssten die betroffenen Kunden kaum fürchten, sagte Peters. Die Energieversorger dürften ohne Gerichtsentscheidung weder das Gas abstellen noch eine Mahnung verschicken. Klagen der Unternehmen aber seien nicht zu erwarten.
Verbraucherschützer: Hohe Energiepreise kosten Kaufkraft
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen etwa wirft den deutschen Energiekonzernen E.ON, RWE, Vattenfall Europe, Ruhrgas und Wintershall vor, mit zu hohen Preisen für die Nutzung ihrer Netze unliebsame Konkurrenz klein zu halten. Anders als in Großbritannien, wo es eine schlagkräftige Energieaufsicht gebe, finde in Deutschland kaum Wettbewerb im Energiesektor statt, sagte die Chefin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Edda Müller, der "Berliner Zeitung". "Würde der Wettbewerb bei Strom und Gas in Deutschland ähnlich laufen wie bei den britischen Nachbarn, könnte die deutsche Wirtschaft eine Konjunkturspritze in Höhe von jährlich bis zu elf Milliarden Euro an zusätzlicher Kaufkraft bekommen", sagte sie. Jeder deutsche Haushalt zahle pro Jahr etwa 300 Euro mehr für Energie als britische Verbraucher.
Schon jetzt bescherten überhöhte Strom- und Gaspreise den Energieversorgern Traumgewinne und deutliche Ertragssteigerungen, sagte Müller. "Die deutschen Verbraucherpreise für Strom und Gas zählen zu den höchsten in ganz Europa - und zwar vor Steuern". Die Privatkunden finanzierten nicht nur die Renditen für die Stromfirmen, sondern auch die günstigen Tarife für die Industriekunden. Die Bundesregierung müsse endlich einen effizienten Regulierer für die Energienetze einsetzen, damit der Wettbewerb auch in Deutschland in Schwung komme. Gut 90 Prozent der Strom- und Gasnetze seien in der Hand von Monopolunternehmen.
Große Preisunterschiede bei Gas
Die Preisunterschiede zwischen den günstigsten und den teuersten Gasanbietern betragen nach einer Studie bundesweit fast 38 Prozent. Das ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus verglich 600 Anbieter.
Laut Plusminus kommen Kunden eines hessischen Lieferanten bei 20.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch mit 839 Euro am billigsten weg. Ähnlich günstige Gaspreise gebe es auch in Münchweiler an der Rodalb (Rheinland-Pfalz) und in Lippstadt (Nordrhein-Westfalen). Dagegen müssten Verbraucher in Angermünde in Brandenburg für die gleiche Menge 317 Euro mehr zahlen und damit am tiefsten in die Tasche greifen. Das Preisniveau im Osten liege generell höher als im Westen.
Im Durchschnitt am teuersten sei Erdgas in Sachsen (1090 Euro) und Sachsen-Anhalt (1080 Euro). Am billigsten sei Gas in Schleswig- Holstein mit durchschnittlich 941 Euro, gefolgt von Niedersachsen (970 Euro) und Nordrhein-Westfalen (975 Euro.) Allerdings gebe es auch innerhalb der Bundesländer Unterschiede von bis zu 30 Prozent.
Ziel: Gaskonzerne von überzogenen Preiserhöhungen abbringen
Die Boykott-Kampagne gegen die jüngsten Gaspreis-Erhöhungen von teils mehr als zehn Prozent ist nach Ansicht des Bundes der Energieverbraucher sehr erfolgreich. "Bislang beteiligen sich mehr als 50.000 Einwender daran. Es müsste locker drin sein, dass es bald 170.000 und damit ein Prozent aller mit Gas versorgten Haushalte in Deutschland sind", sagte der Vorsitzende Aribert Peters. Fernziel sei es, die Gaskonzerne von überzogenen Preiserhöhungen abzubringen.
Bis jetzt sei seines Wissens noch kein Verbraucher beklagt, mit einer Gassperre bedroht oder mit Mahngebühren belastet worden. "Die Versorger haben Angst vor Klagen, weil sie dann ihre Kalkulation offen legen müssten", meinte Peters. Die Energiekonzerne hätten immer größere Rekordgewinne und erhöhten dennoch fortwährend die Preise. Der seit September laufende Aufruf seines Vereins und mehrerer Verbraucherzentralen, mit Verweis auf Paragraf 315 BGB (Billigkeit) jede Gas-Preiserhöhung von mehr als zwei Prozent abzulehnen, wirke sich aus Verbrauchersicht auch positiv auf die Politik aus. "Die Kampagne nimmt Einfluss auf die laufenden Beratungen im Bundestag über das Energiewirtschaftsgesetz", sagte Peters. Wer die Preisanhebungen als unbillig hoch zurückweise, brauche die Erhöhung zunächst nicht zu zahlen und spare dadurch viel Geld, erklärte Peters.
Quelle: Stern.de, Reuters, dpa
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